Ist das noch Literatur oder kann das weg?
Stefan Udelhofen vom Institut für Medienkultur und Theater der Universität Köln hat im Rahmen eines Seminars mit Studierenden die Nutzung der öffentlichen Bücherschränke Kölns untersucht und festgestellt, dass 50 bis 70 Prozent der in die Bücherschränke eingestellten Bücher wöchentlich neue Leser finden.
Horte der Literatur an verschiedenen Orten in der Stadt
An verschiedenen Orten Kölns (und in anderen Städten Deutschlands) können Freunde gepflegter Literatur seit einigen Jahren öffentliche Bücherschränke finden. In Köln gehört die deutliche Mehrzahl dieser Bücherschränke zum Projekt “Eselsohr” der Bürgerstiftung Köln.
Menschen können hier nicht mehr gebrauchte oder gewollte Bücher abgeben, damit diese neue Besitzer*innen finden. Ebenso wie das eher webbasierte Bookcrossing, verbindet das Angebot gegenwärtige Tendenzen zur Nachhaltigkeit, Wiederverwertung und Sharing Economy mit einer kulturell-historisch geprägten Wertschätzung für Bücher als zu bewahrende und nicht vorschnell wegzuwerfende Güter, heißt es in der dazugehörigen Pressemitteilung der Universität Köln.
Auffällig hohe Nutzung des Angebots
Auffallend war dabei die generell hohe Nutzung des Angebotes. Im Durchschnitt fasst ein Bücherschrank ca. 250 Bücher, von denen je nach Standort mindestens ein Drittel bis zu 90 Prozent zwischen zwei Erhebungen entnommen und durch neue Bücher ersetzt wurde. “Diese Zahlen sind natürlich auch für uns hoch interessant”, sagt Christiane Rabbe vom Vorstand der Bürgerstiftung Köln, die das Projekt “Eselsohr” hier federführend betreut.
Die teilweise deutlichen Unterschieden im Grad der Nutzung lassen sich vorläufig durch verschiedene Faktoren erklären, wie die Studie zeigt. Die Übersichtlichkeit des Angebotes sowie die Sichtbarkeit des Bücherschranks waren dabei zentral. So wurden Bücherschränke, die gut einsehbar platziert sind weitaus umfänglicher genutzt als Bücherschränke, die eher versteckt im Foyer von Bürgerämtern, in Einkaufspassagen oder auf Schulhöfen zu finden sind. Eine Überfülle an Büchern und das Fehlen einer ehrenamtlichen Betreuung durch Vereine oder Privatpersonen wirkt eher abschreckend. “Zumindest im Projekt ‘Eselsohr’ gibt es aber so gut wie keine unbetreuten Bücherschränke”, schränkt Rabbe ein. “Entsprechend gut gepflegt ist auch deren Inhalt.”
Von Kuriositäten bis hin zu Bestsellern: Bücherschränke bieten eine breite Auswahl
Das Angebot der Bücher war breit gefächert und unterscheidet sich von Stadtteil zu Stadtteil. Wenig überraschend überwog vielerorts Belletristik, insbesondere Krimis und Liebesromane. Daneben fanden sich allerdings auch allerlei Kuriositäten, seien es Ernährungsratgeber aus den 1960er-Jahren oder Originalausgaben, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts verlegt wurden. Der größte Teil der Literatur war indes jüngeren Datums. Hierbei zeigten sich bemerkenswerte Häufigkeiten des Erscheinungsjahres in den 1970er-, 1990er- und 2000er-Jahren. Durchaus erfreulich, wurden die meisten Bücher in einem eher guten, zumindest lesbaren Zustand vorgefunden. “Für dieses tolle und insgesamt sehr erfreuliche Ergebnis möchten wir uns ausdrücklich bei den zahlreichen Patinnen und Paten bedanken, die ‘ihre’ Bücherschränke mit viel Herzblut hegen und pflegen”, so Christiane Rabbe.
Zum Hintergrund der Studie
Studierende des Bachelor-Studiengangs Medienkulturwissenschaft haben im Rahmen des Seminars „Ist das noch Literatur oder kann das weg? Öffentliche Bücherschränke in Köln als Fallstudie Materieller Kultur“ insgesamt 18 Bücherschränke in Köln über den Zeitraum des Wintersemesters 2018/2919 angeschaut. In Brück, Ehrenfeld, Kalk und anderen Stadtteilen wurden hierzu in ca. wöchentlichem Abstand insgesamt 12-15 Erhebungen je Bücherschrank durchgeführt, um den Bestand im Zeitverlauf zu dokumentieren.
Neben der Erfassung bibliografischer Angaben notierten die Studierenden auch den Zustand der Bücher sowie Auffälligkeiten. Dazu zählten etwa Widmungen oder Stempel. Zugleich erfolgte eine Kategorisierung der Bücher nach etablierten Gattungen und Genres. Und nicht zuletzt ging es auch um eine Bewertung der Attraktivität und Sichtbarkeit des Bücherschranks in den einzelnen Stadtteilen.
Mehr Infos zum Projekt “Eselsohr” und eine Liste der öffentlichen Bücherschränke in dessen Rahmen gibt es hier.
Foto des Öffentlichen Bücherschranks am Eierplätzchen: Geolina163/wikicommons (CC BY-SA 4.0)